Preisverleihung an Thomas Bernhard
Preisträger 1970: Thomas Bernhard
v. l.: Hedwig Stavianicek, Thomas Bernhard, Joachim Kaiser, Werner Heisenberg
Foto: Pit Ludwig

Eine delikate Situation

Meine sehr verehrten Damen und Herren – die Situation ist delikat. Wir haben einen Autor zu ehren und zu loben, dem Ehrungen vermutlich nicht allzuviel bedeuten und dem Lob bestenfalls als eine freundlichere Form von Anmaßung erscheinen mag, als Unzuständigkeitsakt einer Gesell­schaft, die nicht einmal in ihrem eigenen Bereich, dem des schlichten Funktionierens, Zuständigkeit für sich in Anspruch nehmen kann.

Günter Blöcker: Laudatio
Thomas Bernhard bei der Preisverleihung
Foto: Pit Ludwig

Zwei Jahre nach der Studentenrevolte und dem Höhepunkt der Apo entscheidet sich die Jury für Thomas Bernhard – damit vielleicht auch gegen die weit verbreitete Ansicht über politische und gesellschaftliche „Relevanz“ von Kunst und Literatur?

Georg-Büchner-Preisverleihung 1970 an Thomas Bernhard, Ausschnitt aus der Laudatio von Günter Blöcker, Hessischer Rundfunk
© Hessischer Rundfunk

Den höchsten Platz in der Otto-Berndt-Halle in Darmstadt nahm der Fernsehkameramann ein, der, gleichgültig auf etwas herumkauend, mit Scharfschützenblick sein Gerät dirigierte und das Äußerste aus den Gesichtern für die Optik herauszuholen versuchte. Man müsste die Szenerie einmal aus der Perspektive dieses Statisten beschreiben, um die Absurdität eines solchen Festaktes deutlich zu machen ...

G. Hartlaub: Negative Gegenschöpfung, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 25.10.1970, zit. nach: Der Georg-Büchner-Preis 1951–1978. Eine Dokumentation, Piper Verlag, 1987
Thomas Bernhard während seiner Dankrede
Foto: Pit Ludwig

Thomas Bernhard bedankte sich nicht mit beziehungsvollen Worten zu literarischen Zeitfragen [...], sondern mit einem Blumenstrauß von intellektuellen „fleurs du mal“ ...

K. Colberg: Seismograph existentieller Verstörungen, in: Basler National-Zeitung, 21.10.1970
Georg-Büchner-Preisverleihung 1970 an Thomas Bernhard, Dankrede, Hessischer Rundfunk
© Hessischer Rundfunk