FC Delius

Das FC. Nun kann man zwar verstehen, dass ein fußballbegeisterter Mann, der als Bub dem deutschen Sieg 1954 in Bern eine wundersame Befreiung verdankte, verlockt war, durch das Buchstaben­kürzel seines Vornamens sich selbst zu einem Fußballclub zu machen – ich gebe zu, FC Delius klingt Ballnarren gewiss gut in den Ohren –, aber ein arges Zurück­weichen vor den größeren Möglichkeiten, die in den beiden herrlichen Vornamen schlummern, ist dies schon.

Sibylle Lewitscharoff: Laudatio
Friedrich Christian Delis, Büchner-Preisträger 2011, mit Urkunde
Aus heutiger Sicht kann man ohne Übertreibung sagen – Delius und etliche andere Leute seiner politischen Ausrichtung haben viel zur Demokratisierung der Bundesrepublik beigetragen, indem sie sich an die heiß umbrandeten Themen wagten, ohne einer sterilen Freund-Feind-Schematik zu verfallen.
Sibylle Lewitscharoff: Laudatio
Sibylle Lewitscharoff: Ausschnitt aus der Laudatio auf FC Delius, gehalten am 29. Oktober 2011
Archiv der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
Dauer: 00:07:04
© Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung
Friedrich Christian Delius, Preisträger 2011, mit Urkunde
Foto: picture-alliance / dpa

Allein die Sätze entscheiden

Im Widerstand gegen diesen Fundamentalismus des Entweder-oder, in der Spannung zwischen Ja und Nein, in den Nuancen zwischen Gut und Böse liegt der Reichtum des Subjektiven, des Menschlichen, liegen die Chancen der Kunst, der Literatur. Den vieldimensionalen Raum zwischen der Scheinalternative von Null und Eins mit Leben zu füllen, sich breitzumachen zwischen Up und Down und Top und Flop, das gelingt den Sprachen der Kunst, gestützt auf heitere Kompromisslosigkeit und die Produktivkräfte Chaos und Eros. Nein, der Wettstreit zwischen Algorithmen und Sätzen, zwischen Formeln und Wörtern, zwischen Schwarmverhalten und Eigensinn ist noch lange nicht entschieden. Wenigstens in der Literatur haben wir eines der frei zugänglichen und vergleichsweise krisenfesten Paradiese, in dem Erfahrungen ausgetauscht und gesammelt, Erkenntnisfreuden verschenkt, Distanzen verringert, Augenblicke festgehalten, also Raum und Zeit erweitert werden. Aber nicht dass wir uns hier zu wichtig nehmen – am Ende entscheiden in der Literatur, welcher Sorte auch immer, allein die Sätze, der Satz. Die Energie und die Unruhe, die sich zwischen zwei Punkten entfalten.

Friedrich Christian Delius: Dankrede