Golo Galletti. Die Studenten revol­tieren

Das Jahr 1968 bringt den Höhepunkt der weltweiten Protestbewegung, der Studentenrevolte und der Forderungen nach mehr Demokratie. Auch die Preisverleihungen der Akademie werden Schauplatz der Auseinandersetzungen. So forderte die darmstädter studentenzeitung ein Mitspracherecht der Studenten bei der Wahl des Büchner-Preisträgers sowie eine deutliche Verjüngung der Akademie, dieser „schönen Gesellschaft literarischer Greise“, außerdem verteilten Demonstranten ein Flugblatt gegen den Preisträger Golo Mann.

Heißenbüttel: "Georg Büchner lässt sich entschuldigen", die darmstädter studentenzeitung, 1968
© Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung

Pflichtlektüre

Die Süddeutsche Zeitung forderte auf die Rede Golo Manns hin, „dieses unpolitische-politologische Vermächtnis eines wahrhaft großen Europäers und Historikers [...] insbesondere einer studentischen Jugend – gerade von der Couleur des SDS – zur Pflichtlektüre zu machen“.

W. Steinmetz: Pflichtlektüre für den SDS, in: Süddeutsche Zeitung, 30.11.1968, zit. nach: Der Georg-Büchner-Preis 1951–1978. Eine Dokumentation, Piper Verlag, 1987

Die Dankrede von Golo Mann war ausschließlich Büchner gewidmet. Spätere revolutionäre Absichten Büchners stelle er in Abrede: „Büchner, sagt man uns, war ein Revolutionär [...]. War er das wirklich? [...] Wir wissen nicht, was Büchner geworden wäre, wenn er [länger] gelebt hätte, ein bedeutender Naturforscher, ein Mehrer seines literarischen Werkes oder beides. Eines aber wage ich zu behaupten: für die Revolution, für die Politik überhaupt war der Dichter von Dantons Tod verloren. Wer das ‚Volk‘ so sah, in seiner wetterwendischen Narretei, seiner Leichtgläubigkeit, seiner Dummheit und Obszönität, wer die Handelnden so sah, konnte selbst kein Handelnder mehr sein. Praktisch hat Büchner in seinen kurzen zwei Straßburger und Zürcher Emigrationsjahren auf alle Politik verzichtet, ein Entschluß, in dem das Treiben seiner Schicksalsgenossen ihn bestärkte. Er hatte sich geirrt und gestand es ein: in Deutschland war eine Revolution für wenige denkende, hochfliegende Menschen wohl wünschbar, die Situation dafür, die reale Möglichkeit aber nicht gegeben, kein Sinn darin, sich für ein Phantom zu opfern, und nur tiefes Mitleid am Platze für jene, die es trotzdem taten.“

Golo Mann: Dankrede
Preisverleihung an Golo Mann
Golo Mann: Ausschnitt aus der Dankrede, gehalten am 26. Oktober 1968
Archiv der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
Dauer: 00:02:05
© Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung
Foto: Pit Ludwig
Urkundenandruck
Golo Mann bei der Preisverleihung
Golo Mann: Ausschnitt aus der Dankrede, gehalten am 26. Oktober 1968
Archiv der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
Dauer: 00:01:27
© Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung
Foto: Pit Ludwig