Volker Braun und Georg Büchner ...
das sind zwei Namen, die seit dem ersten Auftreten Brauns so oft zusammen genannt wurden, daß sich schon bald die Formel verbreiten konnte, Braun sei der Büchner seines kleinen Landes. Mit pedantischem Humor könnte man die Parallele ausführen und behaupten, Brauns Stück Lenins Tod sei sein Dantons Tod, die Unvollendete Geschichte sein Lenz, und man müßte sich fragen, was nun sein Leonce und Lena sei, das Stück Übergangsgesellschaft oder doch eher der dramatische Roman von Hinze und Kunze mit seiner Dialektik des Stillstands.
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Brauns Hessischer Landbote jedenfalls wäre dann sein entsetzlich wütender Traktat über Büchners Briefe von 1978, in dem er schreibt, man müsse sich mitunter mit Gewalt daran erinnern, daß es nicht die eines Zeitgenossen seien, und wo es klipp und klar und ganz ohne philologische Umschweife heißt: „Ich sehe heute keinen Grund, an Büchners Bekenntnis einen Abstrich zu machen. Solange eine Gesellschaft, sie mag mittlerweile wie immer heißen, auf Gewalt beruht, nämlich solange es ‚die da oben und die da unten‘ gibt, bedarf es der Gegengewalt, sie zu verändern.“ Wollte Braun damals sagen, die DDR mit ihrer Zensur und ihren Spitzeln sei eine Art Großherzogtum Hessen? Kein Wunder, daß der Essay über Büchners Briefe, wie uns die Geschichte meldet, im „Apparat“ kursierte und das Ende aller Verlagsvorhaben seines Verfassers bewirkte. Allerdings wäre, wie hier gleich eingeschoben werden muß, am Ende der siebziger Jahre das im Büchner-Aufsatz ausgesprochene Programm von der „Zertrümmerung der Pyramide“ und der Aufhebung der „vertikalen Arbeitsteilung“ auch im Westen nur unter den Bedingungen der Systemkonkurrenz, nämlich bestenfalls taktisch preisverdächtig gewesen.
Freiheit und Gleichheit
Volker Braun formuliert den Grundkonflikt seiner Epoche, die Spannung von Freiheit und Gleichheit. Die Jury lobt seine wortspielende Brillanz, seine lyrische Intensität sowie seinen Anspielungsreichtum zum Vergnügen für denkende Leser.