Heiner Müller
Mit Heiner Müller wurde nach Christa Wolf der zweite in der DDR lebende Autor ausgezeichnet. Seine kurze Büchner-Preisrede „Wunde Woyzeck“ galt vielen als hermetisch. Die Süddeutsche Zeitung druckte die Rede ab. Im Vorspann schrieb damals Joachim Kaiser: „Bei erster Lektüre verweigert sich Müllers Text. Lauter aberwitzige Assoziationssprünge denkt man, eine irrationale Nacht, in der alle Katzen grau und alle Köpfe blutig sind. Aber so ist es nicht. Heiner Müller [...] hat hier keinen Essay verfasst. Sondern Kunst-Prosa, die manchmal in lyrischen Rausch gerät, manchmal in die Nähe eines Totentanzes.“
Ich lebe in Ostberlin
Am Tag nach der Preisverleihung äußert sich Heiner Müller in der Darmstädter Georg-Büchner-Buchhandlung zu seiner Rede: „Ich weiß, daß das ein Text ist, der ungeheuer auslegbar ist, der schwierig ist [...]. Das hat aber mit einer ganz konkreten Situation zu tun. Ich lebe in Ostberlin, in der DDR. Ich schreibe also diesen Text, um den hier zu sagen, weil ich einen westdeutschen Literaturpreis kriege, was für die DDR ein Affront ist. Das sind zwei Welten in irgendeiner Weise [...]. Und ich will das Eine sagen und will das Andere sagen, und kann das eigentlich nur in einer metaphorischen Weise sagen [...].
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Ich kenne das Publikum nicht, das da sitzt. Ich kann mir nur irgendwas Schreckliches vorstellen, beim Büchnerpreis. Also schreibe ich einen Text, der notwendig hermetisch ist. Also irgendwas Geschlossenes, was gleichzeitig dann offen ist für alle Interpretationen [...].“