Der Schriftsteller, den wir [...] ehren, durfte vor einigen Jahren in einem großen Blatt unseres Landes lesen: Er sei „Doch nur der Stifter des Ostens“. Die fünf Wörter stehen in der Überschrift einer Buchbesprechung. Sie stammen unter Umständen gar nicht aus der Feder des Rezensenten. Gut möglich, daß sie ein Schnellschuß jener kalauernden Kreativität sind, mit der man in den Redaktionen unter Zeitdruck die Überschriften zeugt und den Artikeln auf den letzten Drücker den letzten Pfiff mitgeben möchte. „Doch nur der Stifter des Osten“ Das gönnerhafte Bedauern, das in „Doch nur“ mitschwingt, verrät uns, wie sich die Mitwelt am liebsten fühlt, wenn sie sich ein herausragendes zeitgenössisches Kunstwerk an die Brust drückt, um es sich, fast gleichzeitig, in einer unwillkürlichen Gegenbewegung vom Halse zu schaffen. Und es lohnt sich auch, kurz den gesamten Wortlaut der beiden Überschriftzeilen ins Auge zu fassen: „Der Hochofenwald. Doch nur der Stifter des Ostens: Wolfgang Hilbig in L.“ Das ist sie wieder, die dreifache Schlinge: Das Werk schnürt man so eng wie möglich an sein angebliches Thema. Einziger Gegenstand des besprochenen Schreibens ist angeblich der Osten.
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Dieser ist ja bekanntlich erledigt, folglich ist es auch das Werk, das man monothematisch mit dem untergegangenen Oststaat gleichsetzt. Die Figur des Dichters wird deckungsgleich mit dem in der DDR ausgegrenzten und als Heizer arbeitenden Schreiber. Und damit liegt ein zweiter Kurzschluß nahe: Sind Zensur und System-Schikane samt dem malerisch-proletarischen Heizerschicksal aus der Welt, rutscht auch die Figur des Dichters, diese schöne Frucht unserer Lektüre, in eine der Schubladen, in denen wir das von der Zeitgeschichte Bewältigte ablegen.