Die Geschichte des Georg-Büchner-Preises geht zurück bis in die zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Am Anfang stand die Initiative des hessischen Landtagsabgeordneten Julius Reiber, der am 8. August 1922 die Einrichtung eines Kulturpreises unter dem Namen Büchners forderte: „Ich will dokumentiert wissen, daß der Volksstaat den Künstlern verpflichtet ist, daß der Volksstaat anerkennt, daß die Kunst und die Künstler eine Angelegenheit der Allgemeinheit sind.“ Die im Sitzungsprotokoll dokumentierten Zwischenrufe („Hört! Hört!“) deuten bereits auf die nun einsetzenden, langen und teilweise erbitterten Auseinandersetzungen voraus, aber schließlich wurde am 19. Juni 1923 die Einrichtung des Georg-Büchner-Preises als Staatspreis des Volksstaates Hessen für alle Künste beschlossen. Die erste Verleihung fand am 11. August 1923 statt, dem Verfassungstag der Weimarer Republik, geehrt wurden der Komponist Arnold Mendelssohn und der Schriftsteller Adam Karillon.
Die eng mit den Geschicken der Weimarer Demokratie verbundene frühe Geschichte des Preises endete 1933. Ferdinand Werner, bei der Preisgründung entschiedener Widersacher von Julius Reiber, konnte nun als erster Staatspräsident unter den Nationalsozialisten seine Ablehnung eines nach Georg Büchner benannten Staatspreises politisch umsetzen.
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war es erneut Julius Reiber, nun Bürgermeister in Darmstadt, der anregte, an die Vorkriegstradition eines hessischen Kulturpreises anzuknüpfen. Mit wohlwollender Unterstützung der amerikanischen Besatzungsmacht wurde 1945 durch die Stadt Darmstadt und das Hessische Regierungspräsidium Darmstadt als Vertreterin des Landes der Georg-Büchner-Preis wiederbegründet. Die erste Auszeichnung ging posthum an den 1944 im amerikanischen Exil verstorbenen Schriftsteller Hans Schiebelhuth.
Die Preisverleihung im Jahr 1950 an die Schriftstellerin Elisabeth Langgässer mutet dann bereits an wie ein Vorspiel zu der 1951 beginnenden Geschichte des Georg-Büchner-Preises unter der Regie der 1949 gegründeten Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Die Verleihung fand am 17. Oktober (dem Geburtstag Georg Büchners) während der Tagung der Akademie statt, im Rahmen einer Matinee - der Darmstädter Oberbürgermeister Ludwig Metzger übergab den Preis an den Ehemann der verstorbenen Preisträgerin, die Laudatio hielt der spätere Akademiepräsident Hanns Wilhelm Eppelsheimer.
Der am 15. März 1951 zwischen dem Hessischen Minister für Erziehung und Volksbildung, dem Magistrat der Stadt Darmstadt und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung geschlossene Vertrag legte fest: „Zur Verleihung können Schriftsteller und Dichter vorgeschlagen werden, die in deutscher Sprache schreiben, durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten und an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben.“ Diese Leitlinien für die Vergabe des Preises sind bis heute gültig geblieben.
In den achtziger Jahren kam dann das Bundesministerium des Inneren, das damals für die „kulturellen Angelegenheiten des Bundes“ zuständig war, als weiterer Träger des Büchner-Preises hinzu. Seit 1998 ist diese Aufgabe an den bzw. die Beauftragte/n der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien übergegangen, die für den Bund gemeinsam mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und dem Magistrat der Stadt Darmstadt den Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung tragen.
Die Beratungen der Jury über Kandidatinnen oder Kandidaten beginnen bereits im Winter und dauern meist bis in den Juni des Folgejahres, wenn dann die Entscheidung bekanntgegeben wird. Die Preisverleihung findet alljährlich als Höhepunkt und Abschluss der Herbsttagung der Akademie statt, gemeinsam mit der Verleihung des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa und des Johann-Heinrich-Merck-Preises für literarische Kritik und Essay.
2021 jährt sich zum siebzigsten Mal die Übertragung des Georg-Büchner-Preises in die Verantwortung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, die erste Preisverleihung unter ihrer Regie fand am 21. Oktober 1951 statt. Die Akademie nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, der Geschichte des Preises eine eigene Internetseite zu widmen. Hierfür werden zahlreiche Dokumente aus dem umfangreichen Archiv der Akademie erstmals öffentlich zugänglich gemacht. Gemeinsam mit den Archivschätzen des Kooperationspartners Hessischer Rundfunk und mit der Unterstützung zahlreicher weiterer Archive und Einrichtungen entsteht so eine Geschichte des Preises, die immer wieder auch den Blick auf die Kulturgeschichte unseres Landes öffnet.
Insbesondere die „Storys“ betten die Preisentscheidungen und Vergabezeremonien ein in die Zeitumstände. Aber auch in der „Chronik“ finden sich zu jeder Preisentscheidung Dokumente, O-Töne oder andere Informationen. Wer also die Seite durchstreift, wird immer wieder neu etwas entdecken können. Und: Die Seite wird weiter wachsen, sie wird in den nächsten Monaten und Jahren kontinuierlich ausgebaut und ergänzt werden.
Die Gestaltung und Programmierung der Seite, die umfangreichen Recherchen, die Arbeit an der Erschließung und Einordnung der Materialien sowie deren Umsetzung in die Präsentation auf der Website verdankt sich einer engen Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Für dieses intensive und produktive Miteinander danken wir der Agentur studio stg und dem Programmierer Christopher Martin sowie den Projektpartnern, vor allem den engagierten Kolleginnen und Kollegen des Hessischen Rundfunks.
Ohne großzügige finanzielle Unterstützung hätte dieses Vorhaben nie begonnen werden können. Ein herzlicher Dank geht daher an unsere Förderer: Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, den Kulturfonds Frankfurt RheinMain, die Sparkasse Darmstadt und die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen sowie die Merck‘sche Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft.
Unter dieser Überschrift – mit dem Zusatz: „Unerfreuliche Hintergründe“ – berichtet am 10. Oktober 1952 die Rhein-Neckar-Zeitung über die Aufforderung des Darmstädter Oberbürgermeisters Ludwig Engel, in diesem Jahr von einer Verleihung des Büchner-Preises abzusehen. Engel hatte in einem Brief am 13. September 1952 erklärt, die Stadt beobachte „mit steigender Sorge die jüngste Entwicklung der Akademie“, der sie „Gastfreundschaft gewährt“ habe, und er stellt fest: „daß die Akademie ihre Tätigkeit ohne eine Reform ihrer Arbeitsweise schwerlich wird fortsetzen können“.
Angesichts der Probleme der Akademie bitte er daher gemeinsam mit dem Kultusminister des Landes Hessen darum, „daß die Verleihung des Georg-Büchner-Preises unterbleibt“. Die Aussetzung des im vergangenen Jahr erstmals unter der Regie der Akademie vergebenen Georg-Büchner-Preises und die sich im Hintergrund abspielenden Konflikte innerhalb der Akademie prägen in den Monaten bis zur Herbsttagung die öffentliche Wahrnehmung der Akademie.