Ohne seine Stimme, seinen Ton, seine Sprachmagie und sein Formbewusstsein wäre die deutsche Gegenwartsliteratur ärmer, sehr viel ärmer. Herzlichen Glückwunsch zum Georg-Büchner-Preis 2023!
Seine Maxime „Der Hallraum eines Gedichts sollte nicht kleiner sein als der eines Romans“ lässt sich auch umkehren: „Der Hallraum eines Romans sollte nicht kleiner sein als der eines Gedichts“. So passt sie noch besser zu seinen Erzählungen und Romanen. Etwa zur „Zeitwaage“, dieser dunklen Novelle, in der die filigrane Mechanik der goldschimmernden Armbanduhr mit dem Tod verknüpft ist, der aus dem Trafohäuschen kommt. Durch den Arbeiter, der sie am Handgelenk trug, geht der Starkstrom hindurch, bis sein Scharren in der Reparaturwanne unter der Oberleitung am Hackeschen Markt in Berlin nicht mehr zu hören ist. Wie die Erzählung „Der Kapuzenkuss“, eine der bildkräftigsten Schul- und Kindheitsliebesgeschichten der Gegenwartsliteratur, gehört die „Zeitwaage“ zu Keimzellen, aus denen die Romane Lutz Seilers erwachsen sind.