2025:
Ursula Krechel








»ein einziges
brillantes Plädoyer
für die Notwendigkeit
und Unverzichtbarkeit
von Literatur«
© Foto: Andreas Reeg

»Was ist schön heute? Hier zu sein und mit Ihnen gemeinsam und gemeinsam mit allen Lesern eine Schriftstellerin zu feiern, die ein Glücksfall für uns ist, die uns etwas zutraut. Die darauf vertraut, dass es uns zumutbar ist, unserer Geschichte und unserer Gegenwart ins Gesicht zu sehen. Und die nicht müde wird, die Einübung in die Unerschrockenheit mit uns fortzusetzen. Buch um Buch. Mit allen ästhetischen und poetischen Mitteln. Denn was sonst sollte Literatur leisten: Hinhören. Hinschauen. Das Verborgene zur Sprache bringen. Unbestechlich im Blick auf eine Welt, die andere vor uns geschaffen haben, die wir zulassen, und die, man stelle sich das Unerhörte, Ungeheuerliche einmal vor: die durchaus veränderbar wäre.«

Sabine Küchler in ihrer Laudatio am 1. November 2025

»Das Ziel ist Zeitge­nossenschaft, und diese herzu­stellen, ist vor allem eine subtile ästhetische Arbeit. Es bedeutet, die Auf­merksamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit zu trai­nieren, um uns Lesern ›Augen zu geben, mit denen wir die Welt sehen können‹.«

Sabine Küchler in ihrer Laudatio
Vor Beginn der der Preisverleihung,
Ursula Krechel mit ihrer Laudatorin Sabina Küchler
und Herbert Wiesner
© Foto: Isolde Ohlbaum
Sabine Küchler: Laudatio auf Ursula Krechel, 1. November 2025
© Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung

»Ursula Krechel setzt den Verheerungen der deutschen Vergangenheit und den Verhärtungen der Gegenwart die Kraft ihrer vielgestaltigen Literatur entgegen. Sie seziert die Innenansichten der Klassenverhältnisse, sie zeigt, wie nach Flucht und Exil die Rückkehr nach Deutschland in Fremdheit und Nicht-Zugehörigkeit mündet. Wie ein roter Faden zieht sich die Selbstbehauptung und Fortentwicklung weiblicher Autorschaft durch ihr Schaffen. Ihr Werk regt uns an, das Hier und Jetzt der deutschen Gesellschaft nicht hinzunehmen, wie es ist.«

Urkundentext
Ingo Schulze und Ursula Krechel bei der Urkundenübergabe
© Foto: Andreas Reeg

»Schreiben begleitet die Zeit, stolpert, rennt atemlos vor ihr weg oder hinkt ihr nach. Schreiben heißt: Denken, Beobachten, auf Töne und Misstöne achten, Schlüsse ziehen mit weitreichenden Folgen. Schreiben heißt: Lesen und auch das Unscheinbare auflesen. Schreiben heißt: den Tod, den gewaltsamen Tod denken, an Lebensbedingungen erinnern, die töten. Mit salbungsvollen Worten streut die Politik Sägemehl über die Blutspuren, neue Opfer sind zu beklagen. Später, in anderen Gesellschaften spricht man von Säuberung. Kapitulation, Dekontamination, Dekapitation: ein versunkener Begriff aus dem Wörterbuch der Euphemismen. Verdrängen ist ein Begriff, der noch nicht erfunden war. Schreiben heißt: bedrängende Fragen stellen und sie nicht beantworten können.«

Ursula Krechel in ihrer Dankrede »Zählen, erzählen und: Wer nicht zählt«, 1. November 2025
Ursula Krechel: »Zählen, erzählen und: Wer nicht zählt«, Dankrede am 1. November 2025
© Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung

»Schreiben heißt nicht nur: den Stummen, stumm Gemachten, unter Redeverbot Stehenden eine Stimme zu geben, sondern dieser Stimme eine Glaubwürdigkeit zu geben, dass sie stimmt. Dass sie gestimmt ist wie ein Instrument. Schreiben heißt in diesem Fall: Kunst. Und alle Höflichkeit, alle Demut den Gegenständen gegenüber nützt nicht. Auf Kunst muss beharrt werden.«

Ursula Krechel in ihrer Dankrede
»Verantwortlich im Sinne.
Verantwortlich in jedem Sinne.
Verantwortlich mit allen Sinnen.«
Ursula Krechel bei ihrer Lesung am Vorabend der Preisverleihung
© Foto: Isolde Ohlbaum